Prof. Dr. Hanns Möhler
für die Aufklärung der Beeinflußbarkeit der Angst durch Benzodiazepine
Im Zentrum des wissenschaftlichen Werkes von Prof. Hanns Möhler steht ein Themenkomplex:
das Phänomen der Angst, dessen zugrundeliegenden zentralnervösen Mechanismen, sowie die Beeinflussbarkeit der Angst durch Medikamente, insbesondere die sogenannten Benzodiazepine.
Die Benzodiazepine (bekanntester Vertreter: Valium) sind eine Gruppe von außerordentlich segensreichen Medikamenten, die seit ca. 40 Jahren am Markt sind und zu den am meisten verschriebenen Medikamenten zählen. Sie wirken angstlösend (anxiolytisch), haben daneben aber noch eine Reihe weiterer Wirkungen, z.B. als Schlafmittel, sie stören Konzentration und Koordination und verstärken die Alkoholwirkung, wirken muskelrelaxierend und antiepileptisch, und manche führen auch zur Abhängigkeit. Es ist daher seit langem ein dringendes Anliegen, diese komplexen Wirkungen voneinander zu trennen und dadurch Medikamente zur Verfügung zu haben, die spezifisch z.B. angstlösend sind, die restlichen Wirkungen jedoch nicht besitzen. Diesem Ziel ist man durch die bahnbrechenden Arbeiten von Prof. Möhler ein großes Stück näher gekommen.
Prof. Möhler deckte zunächst den Wirkungsmechanismus der Benzodiazepine auf. Er identifizierte die Bindungsstelle (den „Rezeptor“) dieser Substanzen an den Nervenzellen des Gehirns (Neuronen) und charakterisierte diese als eine Komponente der sogenannten GABA-Rezeptoren. GABA ist ein für die Funktion des Gehirns ausschlaggebender Botenstoff (Neurotransmitter), der eine bremsende Wirkung auf viele dieser Funktionen bzw. Regelkreise ausübt. GABA wirkt durch Bindung an die GABA Rezeptoren; Benzodiazepine binden an einen spezifischen Anteil dieser GABA- Rezeptoren und verstärken dadurch die hemmende Wirkung von GABA. Da GABA- Rezeptoren in allen Funktionsbereichen des Gehirns vorhanden sind, erklärt sich die komplexe Wirkung der Benzodiazepine.
Weitere Forschungen von Prof. Möhler zeigten, dass es nicht nur einen einzigen GABA Rezeptor gibt, sondern eine ganze Reihe von Untertypen, die er biochemisch charakterisierte und denen er spezifische Wirkungen zuordnen konnte. Durch gezielte Punktmutationen gelang es Prof. Möhler, einzelne Komponenten der GABA-Rezeptoren an sogenannten “Knock-in“-Mäusen auszuschalten und dadurch Auskunft über die spezifischen Funktionen der einzelnen Komponenten zu erhalten. Er wies z.B. nach, dass eine Klasse von GABA-Rezeptoren für die sedative und-, antiepileptische Wirkung der Benzodiazepine zuständig sind, eine andere hingegen für die angstlösende Wirkung. Dadurch wurde die alte Frage gelöst, ob die verschiedenen Wirkungen der Benzodiazepine voneinander trennbar sind, und die Erzeugung spezifischer Wirkstoffe in den Bereich des Möglichen gerückt.
Prof. Möhler wies auch nach, dass Angstverhalten mit einem molekularen Defizit von GABA-Rezeptoren verbunden ist. An einem Knock-out-Mausmodell, in dem ein spezifischer Anteil des GABA-Rezeptors ausgeschaltet worden war, ließen sich die spezifischen Reaktionen des Angstverhaltens, wie sie auch vom Menschen bekannt sind, nachweisen; nach Verabreichung von Benzodiazepinen normalisierte sich diese Verhaltensweise wieder. In diesem Tiermodell wird erstmals eine genetische Basis für das Angstverhalten nachgewiesen und die Komponenten von Veranlagung und Umwelt bei der Entstehung der Angst miteinander in Beziehung gesetzt.
1940 | Geboren in Deutschland |
Studium der Chemie und Biochemie an den Universitäten Bonn, Tübingen und Freiburg | |
1968 | PhD in Biochemie (Freiburg) |
1967-1968 | Wissenschaftliche Tätigkeit an der Michigan State University |
1968-1971 | Universität Freiburg – a.o.Univ. Pro |
1972-1973 | Medical Research Council London - Senior Research Scientist |
1973-1988 | Research Department Hoffmann-La Roche Basel - Gruppenleiter und Vize-Direktor |
Seit 1988 | Vorstand des Instituts für Pharmkologie und Toxikologie, Universität Zürich, und ETH, Zürich |
Mitglied mehrerer Schweizer und internationaler Research ReviewCommittees | |
Träger zahlreicher akademischer Ehrungen | |
Wichtigste wissenschaftliche Errungenschaften: | |
Entdeckung des BenzodiazApin-Rezeptors und der Heterogenität der GABA-Rezeptoren | |
Aufklärung des Wirkungsmechanismus der Benzodiazepine | |
Schlüsselrolle bei der Entdeckung des Benzodiazepin-Antagonisten Flumenazil | |
Entdeckung der Rolle defizienter GABA-Rezeptoren als genetischer Faktor der Angstreaktionen | |
Beschreibung neuronaler Regelkreise zur Steuerung der Emotionen Entwicklung einer single point mutation-Technik als Grundlage von drug modelling, i.e. zur Entwicklung von für GABA-Rezeptor-Subtypen spezifischen Liganden |