Prof. Dr. Avram Hershko & Prof. Dr. Aaron Ciechanover
für die Aufklärung des Ubiquitin-Systems
Ubiquitin ist ein – wie der Name sagt – ubiquitär vorkommendes Protein. Wir finden es in allen kernhaltigen Zellen, von der Hefe über Insekten und Fische bis zum Menschen. In all diesen Organismen ist das Ubiquitin praktisch identisch; es besteht aus sechsundsiebzig Aminosäuren. Das Ubiquitin der Hefe unterscheidet sich von dem des Menschen nur durch drei Aminosäuren, obwohl zwischen Hefe und Mensch ca. eine Milliarde Jahre Evolution liegen. Ubiquitin ist damit das am höchsten konservierte Protein überhaupt – ein sicheres Indiz für eine besonders wichtige Funktion.
Was wissen wir über die Funktion?
Alle Proteine unterliegen einem Auf- und Abbau. Für den intrazellulären Abbau stehen zwei Systeme zur Verfügung: eine unspezifische „Müllabfuhr“ über zelleigene Müllschlucker (Lysosomen) und ein spezifischer energieabhängiger Abbau über cytosolische Proteasomen. Die Existenz dieses energieabhängigen Proteinabbaus konnten Hershko und Ciechanover bereits 1978 als erste zeigen. Diese Entdeckung löste große Überraschung aus, da die Hydrolyse von Proteinen als exergoner Prozeß definitionsgemäß ohne Energiezufuhr ablaufen sollte. Wenn Zellen Proteine unter Energieaufwand degradieren, muß es sich hierbei um Proteine handeln, deren Abbau der Zelle so wichtig ist, daß sie bereit
ist, dafür besondere Energiekosten aufzuwenden. Hershko und Ciechanover zeigten, dass energieabhängig abzubauende Proteine eine spezielle Markierung tragen – ein hitzestabiles Etikett, das sie Ubiquitin nannten. Ubiquitin wird durch drei Enzyme (E1, E2 und E3) unter Energieaufwand an das zum Abbau verurteilte Protein gebunden – oft mehrere, bis zu fünfzig Ubiquitinmoleküle. Das so markierte Protein wird nun von einem speziellen Proteinabbauapparat, dem Proteasom, erkannt und degradiert, wobei der Abbau im Proteasom nochmals Energie in Form von AT P benötigt. Das Ubiquitin bleibt dabei intakt und wird von der Zelle wieder verwendet. Der Energieaufwand erklärt sich also zum Teil aus der Sortierarbeit und zum anderen durch den ubiquitinschonenden Proteinabbau im Proteasom selbst.
Für den Abbau welcher Proteine wird ein solcher Aufwand getrieben?
Im wesentlichen handelt es sich um zwei Arten:
a) fehlerhaft gebildete Proteine. Alle zellulären Proteine sind entweder Struktur- oderFunktionsproteine; fehlerhafte Proteine sind in beiden Fällen mit schweren Schäden verknüpft. Deren Aussortierung und Eliminierung über das Ubiquitinsystem ist somit ein Qualitätssicherungssystem der Zelle.
b) Proteine, die für kurzfristige Steuerungsprozesse gebraucht werden. Die Synthese dieser Proteine wird bei Bedarf eingeschaltet und das Protein, nachdem es seinen Job getan hat, über Ubiquitinierung schnell abgebaut. Prototypen solcher Eiweißmoleküle sind den Zellzyklus regulierende Proteine. Die Einschaltung und das Durchlaufen des Zyklus wird einerseits durch die sogenannten Cycline reguliert, die den Eintritt in die einzelnen Zellzyklusphasen aktivieren, andererseits durch verschiedene Zyklushemmstoffe, wie das Protein p27, die den Zellzyklus an bestimmten Stellen aufhalten. Für das Durchlaufen eines vollen Zellzyklus müssen die aktivierenden Cycline gebildet und die Inhibitoren entfernt werden – letzteres erfolgt wie die Degradierung der Cycline über das Ubiquitinsystem. Diese Maßnahmen erlauben eine strenge Kontrolle des Zellzyklus. Dies ist wichtig, da ein unkontrollierter Zellzyklus zur unkontrollierten Zellproliferation, d.h. zu Tumoren, führt. In der Tat gibt es Hinweise dafür, daß das Ubiquitinsystem bei der Entstehung von bösartigen Tumoren beteiligt ist, zum Beispiel dem auf einer Infektion mit bestimmten Papillomviren beruhenden Cervixcarcinom: diese Viren eliminieren einen wichtigen Inhibitor des Zellzyklus durch „unphysiologische“ Aktivierung des Ubiquitinsystems und bewirken so eine ständige Stimulation des Zellzyklus. Neben der Regulation des Zellzyklus ist das Ubiquitinsystem auch an der Steuerung von Transskriptionsfaktoren beteiligt, die die Entwicklung und Differenzierung regulieren, weiters an der Regulation der Immunantwort, der Steuerung von Ionenkanälen, an neuronalen Funktionen und vielen anderen Mechanismen. Die zentrale Stellung des Ubiquitinsystems bei der Steuerung so vieler lebenswichtiger Funktionen macht verständlich, daß die Störung des Systems zu einer Vielzahl von Krankheiten führen kann. Neben der oben erwähnten Entstehung bösartiger Tumoren ist das Ubiquitinsystem an der Entstehung schwerer neurologischer Erkrankungen wie der Chorea Huntington (Ablagerungen der ubiquitinierten Proteine Huntingtin und Ataxin) und des M. Alzheimer (Akkumulation von Ubiquitinkonjugaten des t-Proteins) beteiligt, sowie bei bestimmten Formen des Bluthochdrucks. Der ubiquitinregulierte Proteinabbau ist daher eines der biologisch wichtigsten Systeme. Entdeckung, Charakterisierung des Systems und die Aufklärung der Mechanismen verdanken wir den Arbeiten von Hershko und Ciechanover. Die wesentlichen Entdeckungen wurden in den Jahren 1978 und 1984 publiziert.
Prof. Dr. Avram HERSHKO, M.D., Ph.D.
1937 | Geboren 1937 in Karcag, Ungarn |
1950 | Immigration nach Israel 1950 |
1964 M.D. 1969 Ph.D. |
beides an der Hadassah and theHebrew University Medical School, Jerusalem |
1969-71 | Postdoctoral Fellowship, UC San Francisco (Labor Dr. Gordon Tomkins) |
1971-73 | Senior Lecturer, Faculty of Medicine, Technion-Israel Institute of Technology, Haifa |
1973-80 | Associate Professor, ebendort |
1980- | Professor, ebendort |
Mehrfach Visiting Professor am Institute for Cancer Research, Fox Chase Cancer Center, Philadelphia | |
1987 | Weizmann Prize for Exact Sciences |
1994 | Israel Prize in Biochemistry and Medicine |
1993 | Member EMBO |
Prof. Dr. Aaron CIECHANOVER
1947 | Gebornen in Haifa, Israel |
1974 | M.D., Hadassah and the Hebrew University MedicalSchool, Jerusalem |
1981 | Ph.D., Faculty of Medicine, Technion-Israel Institute ofTechnology, Haifa |
1977-92 | Department of Biochemistry, Technion-Israel Institute of Technology, Haifa als Lecturer, Senior Lecturer, Associate Professor |
1992- | Professor, ebendort |
Visiting Scientist bzw. Visiting Professor in Fox Chase Cancer Center, Philadelphia; Department Biology, Massachusetts Institute of Technology, Cambridge MA; Dana Farber Cancer Institute and Harvard Medical School, Boston; Department Pediatrics St. Louis MO. | |
1981-1984 | Fulbright Fellow |
1985-1990 | Research Carreer Development Award, Israel |
1988-1989 | American Cancer Society EleanorRoosevelt Memorial Fellow |
1996 | Member EMBO |